Virtueller Informations- und Gedenkort für die 300.000 Opfer der NS-„Euthanasie“ freigeschaltet
gedenkort-T4.eu, die Informations- und Gedenkseite im Internet für die Opfer der NS-„Euthanasie“ wurde am 9.11.2011 um 12.07 Uhr von Robert Parzer, Redakteur der AG gedenkort-T4.eu, freigeschaltet. Vor über 130 Gästen aus Politik, Wissenschaft und den Verbänden der Behindertenhilfe und der Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen, darunter auch zahlreiche Mitgliedsorganisationen des Blauen Kamels, wurde damit ein starkes Signal in Richtung des Deutschen Bundestages gesendet, wo am Tag danach über die Schaffung eines realen Gedenk- und Informationsortes in der Tiergartenstraße 4 beschlossen wurde.
In der Diskussionsrunde mit Alfred Eichhorn zeigte sich das Land Berlin vorbereitet, den Wettbewerb für ein T4-Mahnmal noch 2012 zu beginnen. Bei der Erarbeitung des Ausschreibungstextes sollen Vertreter des Runden Tisches T4 involviert werden. „Ende 2013“, antwortete Rainer Klemke, Berliner Gedenkstätten-Referent, auf die Frage nach dem Fertigstellungstermin für das Mahnmal. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, und die Vorsitzende des PARITÄTISCHEN Berlin, Frau Prof. John, lobten zugleich die große Reichweite und die gelungene Zielgruppenorientierung von gedenkort-T4.eu und sahen Verknüpfungsmöglichkeiten des späteren realen Gedenk- mit dem virtuellen Informationsort gedenkort-T4.eu.
Die komplette Feierstunde des 09.11.2011 ist als podcast auf dem Blog von www.gedenkort-T4.eu verfügbar.
Neben historischen Fakten der NS-Mordaktion an Patienten mit geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen enthält gedenkort-T4.eu auch als „Brücke in die Gegenwart“ unter anderem Texte über den Stellenwert von Behinderung in der Gesellschaft von heute. Auf gedenkort-T4.eu sind u.a. 75 Biographien von bisher weitgehend unbekannten „Euthanasie“-Opfern zu lesen. Daniela Martin, die Ur-Enkelin von „Anna Lorenz – ermordet am 5.7.1940 in Pirna-Sonnenstein“, trug einen kleinen Ausschnitt der von ihr recherchierten Lebensgeschichte vor und setzte damit einen emotionalen Höhepunkt der Veranstaltung.
Der Grundstein der Webseite gedenkort-T4.eu war ein einjähriges, EU-finanziertes Projekt des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, dass von der Stiftung Parität und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft kofinanziert wurde. Unterstützung kam auch von der Stiftung Topographie des Terrors und der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Nach dem Ende der EU-Finanzierung werden der Weiterbetrieb (Betreuung des Blog und des interaktiven Diskussionsforum) und die Weiterentwicklung (weitere Inhalte, mehr Sprachen, Gebärdensprachvideos) von gedenkort-T4.eu in den Jahren 2012 und danach über Spenden, Zuwendungen und Projektgelder finanziert. Daran beteiligten sich bisher auch einige gemeinnützige Körperschaften des Blauen Kamels (siehe gedenkort-t4.eu/de/danke)
Stefan Schenck
Projektleitung gedenkort-T4.eu
Abbildungen von links nach rechts: Porträt Anna Lorenz © PARITÄT Berlin; Robert Parzer; Diskussionsrunde v.l.n.r. Dr. Ulrich Baumann, Hubert Hüppe, Prof. Barbara John, Günter Saathoff, Rainer Klemke; Stefan Schenck)